Interaktive Performance aufundab
Ohne Eile bewege ich mein Kunstobjekt entlang der Turmstraße zwischen Beusselstraße und Stromstraße „aufundab“. Die Aktion erlaubt mir Potentiale zu entfalten, die in Bewegung setzen. Spielerisch-assoziativ erzeugt „aufundab“ einen Zwischenraum, der im Zuge der Gentrifizierung zwar “besetzt“ werden kann, doch wird damit die Notwendigkeit künstlerischer Äusserungen nur noch dringlicher. Alle sind eingeladen, sich meinem slow-walk anzuschliessen und so sein Potential zu verstärken.
Im Rahmen der Performance-Zeiten komme ich zu jeder vollen Stunde am Kunstverein Tiergarten/Galerie Nord (Turmstraße 75) vorbei und gebe den Ortstermin-Besuchern so die Option sich anzuschliessen. Zeiten von aufundab: Sa, 4. Juli 16-19 Uhr und So, 5. Juli, 15 bis 18 Uhr.
Rückschau
An den beiden heissesten Julitagen zu performen ist eigentlich verrückt, doch passte diese Verrücktheit genau zur Aktion aufundab.
Dass Kunst „einen Sinn zu erfüllen hat“ und im ökonomischen Prozess eine Rolle spielen soll, hat an Aktualität gewonnen. So antwortet aufundab auf die Forderungen nach Leistung und Sinn in der Kunst mit „Sinnlosigkeit“.
Doch führt die Sinnlosigkeit, die aufundab hier entfaltet, zu einer sinnliche Kommunikation, die einen ungezielten, spielerischen Raum öffnet und Kräfte generiert, die im Alltäglichen verborgen bleiben.
Hierfür bewege ich mich langsam mit meinem mobilen Objekt auf der Turmstraße in Berlin-Moabit zwischen Beussel- und Stromstraße aufundab, während ich mein Objekt hinter mir her ziehe.
Es besteht aus einem Rollator, zwei Wanderstöcken (die zur Halterung eines Klangkörpers dienen), einer reflektierenden Aluminium Rettungsdecke, zwei Mundharmonikas, einem Edelstahl-Topfdeckel, zwei kleinen Glocken, einer Rassel und einer Holzente.
Die federleichte Rettungsdecke ist mit einer ihrer Ecken am oberen Ende des einen Wanderstocks befestigt und reagiert so sensibel auf die geringste Windbewegung. Sie wird plötzlich von einer Böe erfasst, bläht sich auf, wechselt unerwartet die Richtung, um sanft wieder zu landen oder sich zu einem Knäul zusammenzuziehen.
Die Holzente ist per Schnur mit dem Objekt verbunden und rollt über das Pflaster, sobald sich das Objekt in Bewegung setzt. Während sich ihre Räder drehen, macht die Ente ein knackendes Geräusch; laufe ich schneller, wird das Knacken häufiger, werde ich langsamer, ist es entsprechend seltener zu hören.
Die Ente bildet für Kleinkinder, sowie Hunde den Höhepunkt und zieht sie magisch an. Fasziniert schauen sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Ente gerichtet und krabbeln bzw. laufen hinter ihr her.
Auf meinem Weg begegne ich Menschen, die unterschiedlich auf die Aktion reagieren. Einige zeigen Neugier und nehmen Kontakt auf, andere schauen nicht von ihrem Smartphone auf, wiederum andere sprechen mich an, verwickeln mich in kurze oder lange Gespräche, wollen gemeinsam mit mir Klänge erzeugen oder kaufen mir ein Eis.
Einige der Klangkörper sind so am Objekt installiert, dass sie erklingen, sobald ich mich in Bewegung setze. Der Topfdeckel ist zwischen den beiden Wanderstöcken an einem Draht befestigt und hängt frei, so dass sich der Klang voll entfalten kann, wenn ich den Deckel mit dem Metallstab anschlage.
Ab und zu bleibe ich stehen und bringe ebenso die anderen Klangelemente zum klingen. Sobald mich etwas dazu einlädt, halte ich an und vollziehe mein Klang-Ritual. Anlass können hier verborgene Geschichten sein, die ich intuitiv wahrnehme oder ein Impuls der aus einer Situation heraus entsteht.
Während dieser Handlungen scheinen sich die erzeugten Klänge mit der momentanen Geräuschkulisse zu verbinden und sie zu akzentuieren.
Für Momente kann aber auch eine eigenartige Stille eintreten, so als ob die Zeit einfach kurz stehenbleibt.
Jens Reulecke