with Tabea Gebauer, Katharina Philipp, Katharina Resch, Jörg Rohrpasser, Barbara Schindler

photos by Florian Erdle

Inhalt

Zu viert gehen wir langsam die Karl-Marx-Straße entlang. Unsere T-Shirts tragen die Aufschrift „HALTE EINEN AUGENBLICK AN ! / STOP FOR A MOMENT !“. Diese Einladung an die Passanten ist eine Aufforderung zur Entschleunigung. Wir reagieren damit auf die Hektik und Reizüberflutung der Karl-Marx-Straße und auf den Hunger der Menschen nach Ruhe und Reduktion. Unsere Aktion zielt darauf ab, einen Zwischenraum inmitten des Alltäglichen, wo Übersättigung und Zerstreuung herrschen, zu schaffen. Einen Zwischenraum, der entsteht, indem wir etwas weglassen und somit Platz schaffen, so dass sich im Augenblick der gemeinsamen Aktion Dinge spontan manifestieren können. Wir schaffen damit den Rahmen für eine Handlung, die die Menschen in Kontakt bringt mit Stille, Offenheit und Sensibilität inmitten einer lauten und übersättigten Welt. Wir reagieren dabei auf etwas, das innerhalb unserer Kultur verloren zu gehen droht, nämlich die Wahrnehmung einer Realität, die uns permanent zur Verfügung steht und die sich immer dann ereignet, wenn wir mit dem in Beziehung treten, was unmittelbar und offensichtlich vor uns liegt. Unsere künstlerische Absicht ist somit nicht auf ein „noch mehr“, auf Aussergewöhnliches oder Glanzvolles gerichtet, das am Ende doch wieder nur vom unersättlichen Markt vereinnahmt wird. Wir planen vielmehr, die Menschen in eine „Unmittelbarkeit“ zu führen, die es erlaubt, unerwartet überrascht zu werden. Jeweils im Anschluss an die Phasen der gemeinsamen Aktion mit den Passanten setzen wir uns wieder langsam in Bewegung, um neu dazu einzuladen, einen Augenblick mit uns anzuhalten. Alle 60 Minuten starten wir unsere Tour erneut vom 48 Std.-Büro aus.

Rückschau der PerformerInnen

I
Was geschieht, wenn man Menschen dazu einlädt, anzuhalten und sich zu einem zu stellen, zu schweigen und sich auf die Leere einzulassen? Über drei Festivaltage verteilt waren wir insgesamt 8 Stunden unterwegs, während wir die Menschen einluden, einen Augenblick mit uns stehenzubleiben. Ca. 170 Menschen reagierten, indem sie sich zu uns stellten; sei es für einen “Augenblick“ oder für 20 Minuten. Alle, die sich auf dieses Experiment einließen, schienen in einen anderen Raum zu treten, wodurch sie in gewisser Weise sichtbarer wurden als üblich. In diesem Moment waren weder verbale Kommunikation noch eine Verständigung über gewohnte Gesten angesagt. Die Kontaktaufnahme die sich hier ereignete, schien ganz anderer Art zu sein und anderes hervorzubringen. Eine Art Nähe entstand, die einige nur schwer ertragen konnten, so dass sie nach kurzer Zeit wieder gingen. Andere hingegen schienen zur Ruhe zu kommen und blieben lange mit uns zusammen stehen. Jeder, der sich dazustellte, veränderte die jeweilige Energie. Mal war sie tragend, ein anderes Mal kräftezehrend, so als ob unsere Aktion das jeweilige Potential der Menschen verstärkte.
Jens

II
In der Regel waren diejenigen, die sich einladen ließen, zunächst verwirrt: einfach so stehen bleiben? Warum? – Im Kreis? „Seid ihr ne Meditationsgruppe oder was?“ Und dann tauchten die meisten von ihnen gemeinsam mit uns ein in die Stille des Moments, trotz der lärmenden Autos und der um uns herum hastenden Menschen. Manche ertrugen das Anhalten nicht, mussten weiter. Andere ließen sich überraschen von der Kraft des Moments. Danke, sagten die meisten beim Abschied. Eine gute Erfahrung, sagten Andere.
Katharina

III
Ich war freudig überrascht, wie viele unterschiedlichste Menschen die Aufforderung zum Innehalten, zum Entspannen, zum Besinnen auf nichts, vielleicht auf sich selbst, wahrgenommen haben. Das macht mich froh, dass das bei Menschsein ohne Aktion und irgendwelche Bewegung doch Wertigkeit findet. Ich hatte ein ganz warmes Gefühl für die Menschen, die sich zu uns gesellt haben und in dieser kurzen Zeit irgendwie mit uns eins waren. Man öffnet den Kreis gleichgesinnter und er wird grösser für eine Zeit, man schließt den Kreis mit der Bereitschaft, ihn jederzeit für jeden wieder zu öffnen. Das ist ein gutes Gefühl. Es könnte den Menschen zeigen, wie hilfreich die Gemeinschaft im positiven Sinne sein kann. Interessant war auch, wie unterschiedlich jeder Einzelne reagiert, auf so ein Angebot. Neugier, Zögern und vorsichtiges Probieren, aber auch einfaches Eintreten in die Runde und sofort ankommen. Ein Bedauern für die, die achtlos, betriebsam – vielleicht auch hektisch an uns vorbeizogen, die einen Moment der Ruhe im täglichen Gewühl einfach nicht annehmen konnten oder gar nicht wahrgenommen haben.
Barbara

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