ICH VERBINDEN MEINEN SCHMERZ
MIT DEINEM SCHMERZ

Das Fastentuch von Jens Reulecke in der Marienkapelle des St. Hedwig-Krankenhauses

Im Jahre 2004 hat Jens Reulecke für unsere Kapelle das Fastentuch gemalt – in der alten kirchlichen Tradition, in der die Kreuze in der Fastenzeit mit Bildtüchern verhängt werden.
Man sieht darauf die mit goldener Farbe gemalten Leidenswerkzeuge, mit denen Jesus zu Tode gefoltert wurde, auf strahlend rotem Grund. Diese Farben verlassen das liturgische Violett der Österlichen Bußzeit zugunsten eines österlichen Gold und eines pfingstlich-lebendigen Rot. Denn Christen leben von der Hoffnung auf die Auferstehung und des ewigen vollendeten Lebens.

ICH VERBINDE MEINEN SCHMERZ MIT DEINEM SCHMERZ – dieser Titel ist der Schlüssel zu diesem Fastentuch. Man weiß nicht sofort, wer diesen Satz spricht: Jesus zu mir, ich zu Ihm, wir von Mensch zu Mensch?
Alle drei Möglichkeiten gelten hier.
Der Betrachter ist eingeladen, seinen Schmerz mit dem seines Gottes und dem seiner Mitmenschen zu verbinden. Zugleich darf er erkennen, dass Gott seinem Schmerz nicht unbeteiligt zusieht und mit ihm leidet – und er darf lernen, dass auch im Mitteilen des Schmerzes an seine, vielleicht nur an einen, vertrauten Mitmenschen ein großer Trost liegt.

Mit einfachen traditionellen Formen zeichnet der Künstler die Folterwerkzeuge Jesu, anhand derer wir das Leiden unseres Herrn meditieren können: die durchbohrte Hand, die Dornenkrone, ein krummer Nagel, das Kreuz, eine Geißel über zwei Gesichtern, der essiggetränkte Schwamm an einer Stange, ein weinendes Auge und die Lanze.

Alle diese Zeichen stehen symbolisch für das Leid unseres Herrn Jesus Christus, das er für uns auf sich genommen hat, wie wir glauben. Gott kennt das Leid der Menschen und er weiß, wie schwer es uns treffen kann.
Diese Zeichen können und sollen jedoch ebenso ein Ausdruck für den eigenen Schmerz des Betrachters sein. Man darf sich wiederfinden, wenn man sich auf eines oder mehrere der Symbole konzentriert. Man kann endlich zu sich kommen. Zwischen den Symbolen bleibt Raum – Raum für den eigenen Schmerz, die eigene Trauer, vielleicht die eigene Hoffnung.

Das Fastentuch hängt recht hoch, man muß seinen Kopf heben, wenn man es betrachten will. Es kostet immer ein wenig Kraft, wenn man nicht nur sich selbst sehen will. Aber dann kann man Trost finden.

Das Tuch verdeckt das Kreuz unserer Kapelle bis zum Karfreitag. An diesem Tag werden wir es in all seiner Kraft wiederentdecken können – wieder mit der Gewissheit, die uns in den Wochen der Österlichen Bußzeit tragen will:  ICH VERBINDE MEINEN SCHMERZ MIT DEINEM SCHMERZ.

Uwe Wulsche, Pfarrer im St. Hedwig-Krankenhaus