Ausgangspunkt der Installation drawn bilden Aufnahmen von Schreibtischtätigkeiten, denen der Arzt in seinem Behandlungszimmer nachgeht. Der Ort dieser Aufnahmen ist identisch mit dem Ort der Installation. Diese Arbeitssituation wurde aus unterschiedlichen Positionen aufgenommen, so dass es durch die Perspektiv- und Bildausschnittwahl zu eigenartigen Verfremdungen kommt.

Das Ergebnis dieser Intervention sind keine klassischen Portraitaufnahmen, die den ’Doktor’ in standesgemäßer Haltung abbilden, vielmehr steht hier eine dynamische Verbindung zwischen Mensch und Umraum im Mittelpunkt. Eine Instabilität wird provoziert, eine ’Auflösung der Schwerkraft’, ähnlich der Wirkung, die Krankheit, Krankenhausaufenthalt, Angst, Schmerz und Not auf den Menschen ausüben. Doch spricht die hier angeführte Instabilität eine andere Sprache, reisst sie den Menschen nicht mit-sich in eine hoffnungslose Tiefe, sondern entführt ihn in einen Zustand spielerischerLeichtigkeit.

Dieses Ereignis wird durch die künstlerische Sprache so dirigiert, dass der offene, unbekannte Raum, der auf jeden Menschen zunächst bedrohlich wirkt, durch eben diesen ungewöhnlichen Eingriff mit Lebendigkeit erfüllt wird.

Die Fotografien hängen rhythmisch verteilt an den Wänden. Wie an die ’Wände geworfen’ stimmen sie in einen bewegten Reigen ein, der den Betrachter mitzieht.

Die blauen Kreise, die sich auf nahezu allen Aufnahmen wiederfinden, verhalten sich kongruent zu diesem Rhythmus und bilden dadurch eine Verbindung zwischen dem inneren Bildraum und dem äußeren Raum des Behandlungszimmers.

Die Wirkung, die von der Installation drawn ausgeht, positioniert sich vehement gegen eine Arzt- und Patientenroutine, wo jede Seite ihre Begrenztheit auslebt. Was die Installation drawn trägt, ist dort angesiedelt, wo trotz Sprachlosigkeit und Präsens ungeheuren Leides, die Hoffnung ihren Platz behauptet.

Dabei scheut sie sich nicht davor, an der Stelle, wo sich das eine am anderen bricht, ihre vitalen Spuren einzuschreiben. Gerade im Kontext des christlichen Glaubens, dem sich das St. Hedwig- Krankenhaus verschreibt, ist dies kein abwägiges Statement, sondern eine notwendige Äußerung. Zeugt die Existenz dieses Hauses ja von eben dieser überschreitenden Dimension. Inmitten gesellschaftlicher Entwicklungen, die dem Schwachen und Bedürftigen immer weniger Raum zugestehen, bedarf es einer Gegenbewegung, die an diesem Ort ihren Platz haben muß.

Jens Reulecke